Zwischen Zweifel und Distanz – Warum die Farbigkeit in Arno Rinks Gemälden eine große Rolle spielt

Von Daniel Thalheim

Aktuell ist in Leipzig eine große Retrospektive zum Leipziger Künstler Arno Rink zu sehen. Der ehemalige Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst vertrat eine streitbare Position innerhalb des Leipziger Kunstkörpers. Er sagte von seiner Kunst, dass sie Ausdruck seiner inneren Zerrissenheit und Zweifel sei. Neben dem Unfertigen, neben der Andeutung, ist es vor allem die Farbigkeit seiner Gemälde, die große Schatten wirft. Wer genauer auf die Farbpalette schaut, stellt die Parallelen zu seinem Schüler Neo Rauch, und zu KünstlerInnen wie Kathrin Heichel und Titus Schade aber auch Querverbindungen zum deutschen Biedermeier und des Manierismus fest.

Auf der Suche nach der Farbigkeit im Werk von Arno Rink

Das erste, an das ich mich erinnern kann und mit der Malerei in der DDR in Verbindung tritt, war ein Besuch im Georgi Dimitroff Museum irgendwann Anfang der Achtzigerjahre. Damals war das Museum der Bildenden Künste fest im Griff des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates. Wir waren Schüler der Polytechnischen Oberschule Taras Schewtschenko und wurden in einen kleinen Saal geführt. Er wurde, so wurde uns gesagt, vorrangig für Vorlesungen für die Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst sowie dem Institut für Kunstgeschichte genutzt. Uns kam er wie ein Kinosaal vor. Die plüschigen Sessel, der Vorhang und die gedämpfte Stimmung des Raums hinterließen in mir den Eindruck, dass Kunst etwas Erhabenes sein musste. Bislang kannte ich nur die manieristischen und barocken Arbeiten von Raffael, Leonardo, Vermeer, Rubens und Rembrandt aus dem Kunstbuchbestand meiner Eltern und meiner Großmutter. Der Vorhang wurde aufgezogen. Wir blickten auf eine gemalte Tristesse in verblichenem Gelb, abgeschwächtem und schmutzigem Grün und Abstufungen von Ocker und Braun. Diese Farben waren uns wohlvertraut. Wir blickten tagtäglich auf die Resultate des abgewrackten Industriezeitalters. Leipzig selbst war ein Wrack, war in Grau, Braun, gelb- und Ockertönen getaucht – so erschien es mir an den schlimmsten Regentagen. Nahe dem Friedenspark und dem Hospitaltor lebend, bemerkte ich natürlich auch die Farbtupfer der inzwischen abgerissenen Kleingartenanlage mit seinen roten Kirschen, die über die sonnenbefleckten Zäune in den schmalen Weg hinter den Mietskasernen an der Leninstraße hingen, dem satten Grün des „Friedensparkes“ im Frühjahr und im Sommer, an die hellblaue Joppe, die ich als Kind trug und meinen Malkasten, dessen Töpfe nur reine Farben besaß. Das uns im Dimitroff-Museum gezeigte Bild, das mehrere – wahrscheinlich durch gemalten Sonnenlicht – angestrahlte Giebelfronten zeigte, Schornsteine und eine Wolkenmasse, die wie ein abziehendes Gewitter aussah, bedrückte mich. 

Der Lichtblick, der nach dem Unwetter in Öl getaucht wurde, verschwamm in meinem Gehirn zu einer öligen Pfütze, die es in Leipzig zuhauf gab. An dem Anblick war nichts erhabenes. Uns wurden verblichen gelbliche Bilder von Ulrich Hachulla und Sighard Gille gezeigt. Für mich war lange nicht erklärbar, warum die Farbakkorde so abgeschwächt waren. Hatte es mit dem generellen Mangel an Farbigkeit in der DDR zu tun, wo Gelb und Braun mit Akzenten von Grün zum Alltag gehörten und selbst das so grellbunte Kinderspielzeug grau erschien? Oder konnten sich die Künstler keine anderen Farben leisten als Gelb und Braun? 

Dabei ist das Bild „Beatabend“ von Hachulla ein körperliches Manifest aus reger und fein akzentuierter Farbigkeit und Abstraktion, wenn auch dieses Bild eine Gruppen junger Menschen zeigt, die einer Band zuhören und sich vor der Bühne gemütlich machen. Oder die „Demonstrationen“ von Volker Stelzmann: Wimmelbilder von Menschen in farbigen Grau-Gelb-Abstufungen mit zarten Farbpunkten. Lag die feine Akzentuierung von Mischfarben aber wirklich an der Beschäftigung mit der Farbenlehre, oder war die zurückhaltende Farbigkeit nur ein Ergebnis der Baryt-Anreicherung in den industriell hergestellten Farben, die es in der DDR zu kaufen gab?

Arno Rinks Bilder heben sich in ihrer Farbwahl von den Werken seiner Zeitgenossen ab. Sein Spiel mit Hell-Dunkel-Kontrasten, wenigen Signalfarben und die Zuwendung zum Blau des Romantikers, machen die Abwendung von sozialistisch-gesellschaftlichen Sujets deutlich. Er selbst steht größtenteils im Mittelpunkt seines Schaffens. Ihm ging es in seinen Bildern um die Form, und das, was im Zusammenspiel mit der Farbigkeit zum Ausdruck gemacht werden kann. Beispiele für seinen Ansatz gibt es viele. Ein Blick auf sein Frühwerk könnte seine Einflüsse offenlegen. Seine Ölskizze „Die Puppe“ erinnert an einen modernen Hieronymus Bosch, der nach seinem spannenden Hauptwerk Pilze gekaut, viele Blake-, und Dali-Werke sowie Max-Ernst-Gemälde neu interpretiert  hat, sie skizzenhaft als verschattete Trips auf Kartons und Leinwände warf. 

Die Arbeiter auf dem Rink-Bild sind zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft, oder erscheinen wie Zwerge, die die übergroße Modepuppe anbeten, die wie ein mythisches Mischwesen aus ölgewordenem Männertraum und aus Mechanik gedrechselter Ingenieurskunst erscheint. Ob die Berliner Rockband Rammstein sich was von dieser Ikonographie etwas abgeschaut hat? Das Gemälde hinterlässt den Eindruck, trotz seiner gemalten Perfektion, bedrohlich und kalt zu sein. Die kleinen, um sie herum drapierten, Figuren wenden sich vom Betrachter ab und scheinen aus dem Bild zu verschwinden. Angedeutete, ruinöse Architektur, ein glühender Himmel verstärken den Eindruck, hier kommt ein pinkfarbener Satan aus den Fantasien der ehemaligen „FF Dabei“-Redaktion auf die Erde hernieder und lässt sich feiern. Hinzu kommt die , vom Betrachter aus gesehene, erhobene linke Hand. Die Modepuppe weist so eine Parallele mit mittelalterlichen Baphometdarstellungen auf. „Die Puppe“ ist, so gesehen, ölgewordene Apokalypse. Das Verwaschene, Verkratzte und auch Entfärbte setzte sich kontrastreich in Rinks Schaffen fort. Klare, reine Farben sucht man – bis auf wenige Ausnahmen – auch hier vergebens.

Warum die Leipziger Schule eine Fortsetzung der Romantik ist

Um zu verstehen, wie die DDR-Maler aus Leipzig tickten – denn auch Tübke, Mattheuer & Co. verstanden es, aus einer eng gefassten Palette Großes zu zaubern – muss man einen Blick auf Johann Wolfgang von Goethe und Philipp Otto Runge werfen, oder besser gesagt: ihre Farblehren. Die Steigerung aus dem Klaren ins Trübe vereint beide „Farbphilosophen“. Was in bestimmten Abschnitten zutage tritt, ist die Beschäftigung mit den sogenannten dissonanten Akkorden. Wir kennen dies aus der Musik, wenn etwas schief und „daneben“ klingt. 

In der Farblehre Runges finden wir aber einen Zwei-, Drei- bzw. Mehrklang aus abgeschwächten Farben, die als Akkorde nebeneinander gestellt, eine bestimmte Stimmung erzeugen. Die Wirkung von Farbigkeiten auf das Gemüt tritt hier auch zutage. Beinahe können wir von der abseitigen Farbenlehre von Jazz in Malerei reden. Denn was in der Musik vielleicht schmerzhaft klingen würde, könnte in der Malerei eine (Dis-)Harmoniefolge ergeben, die den Betrachter fragen lässt, womit der Künstler nicht im Einklang steht: mit sich selbst, mit seiner Umgebung, mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen? 

Was bei William Turner und Impressionisten wie Claude Monet mit ihrer Freilufttechnik als natürlich und lichtecht nachzuahmen versuchten und rein ästhetische Grundwerte besitzt, muss bei den Leipziger Malern in der DDR-Zeit und auch partiell in ihrer Nachfolge durch u.a. Neo Rauch in einem anderen Licht betrachtet werden. 

Runges Farbenkugel trägt, ausgehend von den drei Primärfarben, die reinen Farben entlang des Äquators, woraus sich in Richtung Pole die Mischfarben ergeben, bis hin zum Schwarz bzw. Weiß. Ihm ging es mit seiner Farbkugel um die Veranschaulichung von Harmonien bzw. Disharmonien, die durch die Kontrastwirkung zueinander gestellter Farben erzielt werden. Gleichzeitig wohnt – unabhängig von Runges Farbtheorie und angewandter Praxis – eine Symbolik inne. 

Frédéric Portal (1804-1876) unternahm den Versuch, die Farbsymbolik zu systematisieren. Der französische Autor stufte Farben u.a. nach Licht und Dunkelheit (Weiß und Schwarz), Liebe und Willen (Rot und Weiß), Vernunft und Intelligenz (Gelb und Blau) ein. Portal fächerte die Farbkreisspirale soweit auf, dass die philosophischen Grundprinzipien seiner Farbordnung, dass die verschiedenen Eigenschaften und Leidenschaften, die nach seinen empirischen Studien den Farben innewohnen in verschiedenen Verhältnissen abgebildet sind. 

So ähnlich sehen wir es in den Werken der „Leipziger Schule“, dessen berühmtester Vertreter nunmehr ein gewisser Neo Rauch ist, der 2018 zusammen mit Rosa Loy das Bühnenbild für das Bayreuther Bühnenwerk „Lohengrin“ des musikalischen Spätromantikers Richard Wagner gestaltete und in Interviews weitläufig von seiner Begeisterung über die Befreiungskriege erzählt, welche ikonographischen Prinzipien er in seinen Bildern anwendet und so als spätgeborener Romantiker erscheint. Seine gedimmte Farbskala ist düster. Im Zusammenspiel mit den Sujets schafft er alptraumhafte Szenen, puzzlehaft zusammengesetzt aus Versatzstücken der Geschichte, DDR-Schulbuch-Illustrationen und Erinnerungen. Er setzt sich so auch von seinem Lehrer Arno Rink ab, der weitaus klarere Kontraste in seinen Bildern schuf. Setzt man seine und Neo Rauchs Arbeiten in die Folge von Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und Arnold Böcklin, jedoch durch die Linse eines Max Ernst betrachtet, erscheinen sie von der blauen Blume der Romantik geküsst worden zu sein. Ein Schlüssel zum Werk von Arno Rink scheint also auch die Farbskala zu sein. 

 

Die Ausstellung „Ich male!“ im MdbK ist noch bis zum 16. September 2018 zu sehen.

 

Begleitend zur Ausstellung erschien auch ein Katalog mit den wichtigsten Werken seines Schaffens und Texten.

Er malt noch immer – Zum Tod von Arno Rink

Ein Nachruf von Daniel Thalheim

Sein Schaffen müsste vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Geschichte in unmittelbare  Nähe von Gerhard Richter und Jörg Immendorf gestellt werden. Arno Rink war, wie andere Maler und Grafiker seiner Generation auch, ein Künstler, der wie ein Riesenplanet seinen eigenen Platz im Raum der Malerei schuf. Er gehört zu jenen Malern, die die Tradition der Malerei in ein neues Zeitalter weitertrugen und mit neuen Techniken, Sichtweisen und Inhalten füllten. Am 5. September 2017 ist der große Vertreter der Leipziger Schule und ehemalige Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst von uns gegangen.

Der Einflussgebende

Erst kürzlich unterhielt ich mich mit jemandem über meine Begegnung mit dem Mann mit der blauen Latzhose und dem vollen, schwarzen Bart. Als ich ihn 1995 bei einem Mappengespräch für meine Aufnahme als Student für Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig​ traf, lernte ich einen resoluten und eigenwilligen Menschen kennen, der genaue Vorstellungen davon besaß, wie ein Künstler zu sein hatte. Er lud mich damals nur aus einem Grund ein: sein damaliger Assistent Neo Rauch suchte die von mir eingereichte Mappe aus. Er fand viele Übereinstimmungen zu dem, was ihn persönlich berührt und was er vielleicht auch von SchülerInnen der Malerin Elisabeth Voigt kannte. Diesen Zusammenhang stelle ich heute her, nachdem ich die Arbeiten der Schüler und Schülerinnen von Elisabeth Voigt bei der Werkschau in der Kunsthalle der Sparkasse Leipzig im Frühjahr 2017 sah. Mitte der Neunzigerjahre wusste ich jedoch nicht viel über die Hochschule für Grafik und Buchkunst. Werner Tübke war mir ein Begriff, sowie Wolfgang Mattheuer. Mit ihren Arbeiten wurden wir in der DDR groß. Dieser Umstand und dass ich Neo Rauch nicht kannte, mich damals nicht auf Ausstellungen herum trieb und ansonsten wenig über Kunstgeschichte Bescheid wusste, aber immerhin mehr als die meisten in meinem Umfeld, ließ Arno Rink Fragezeichen über seinem Kopf wachsen. Erst während meines Kunstgeschichtsstudiums erarbeitete ich mir, welchen Einfluss Arno Rink auf sein Umfeld ausübte. Dass er der Malermacher war, ist schon 1995 bekannt gewesen. Michael Triegel, Neo Rauch, Christoph Ruckhäberle, Katrin Heichel und David Schnell, sowie viele andere KünstlerInnen, werden aufgrund seiner Mentorenschaft und Vaterfigur zeitlebens mit ihm in Verbindung stehen. Neo Rauch beschreibt ihn als einen hochsensiblen Maler, der sich mit all seinen Selbstzweifeln und Ängsten hinter dem Schlussfirnis seiner Bilder und im Innern seiner rituellen Zurüstungen in Sicherheit zu bringen versuchte, und der für Neo Rauch in dieser Komplexität erst jene Faszination wachzurufen vermochte, die für ihn bis heute anhalte. Neo Rauch ist es auch, der verdeutlicht, dass Malerei eine wärmende Heimstatt bezeichnet. Dies so zu empfinden und durchzuführen, sei nur für Menschen spürbar, deren Weg von Kindheit an vorbestimmt war. Das ist auch ein Satz, der mir bekannt vorkommt und den Arno Rink wohl gern gesagt hat. Entweder man ist Künstler, oder man ist es nicht! Eine Grauabstufung dazwischen gab es für ihn nicht. „Dieser Mann hat uns viel zu geben und zu sagen“, stellte Neo Rauch auch im Katalogtext zum 2015 erschienenen Ausstellungsband fest, „wer dies nicht erkennt, soll auch um uns bitte nicht viel Aufhebens machen.“

Renaissancemaler und Romantiker im Blaumann

Wie kein Maler zuvor verband er die klassische Malweise mit einer modernen Bildsprache – Arno Rink war und ist ein Renaissancemaler im Blaumann. Für mich war er ein Arbeiter im Dienst der Kunst. Diese Erkenntnis ruhte stets in ihm. Das war anlässlich seiner großen Werkschau in der Kunsthalle Rostock 2015 so, und auch in der aktuell noch stattfindenden Ausstellung mit seinem ehemaligen Assistenten Neo Rauch in Aschersleben ist dies noch der Fall. Wer auf sein Schaffen blickt sieht seine Überlassenschaft an die Nachwelt. Über zwanzig Werkstandorte verzeichnet seine betreuende Galerie Schwind, eine Menge an Einzelausstellungen und ebenso unzählige Ausstellungsbeteiligungen seit 1969. Herausragend hierbei: die großen Kunstschauen im Dresdner Albertinum 1981, im Museum der Bildenden Künste 1982 sowie 2012 in Leipzig, in der Kunsthalle Rostock 1983 und 2015. Eine zeitnahe Würdigung wird in der 2018 stattfindenden Retrospektive „Ich male!“ am Museum der Bildenden Künste gezeigt. An den Vorbereitungen der künstlerischen Rückschau auf sein Lebenswerk hat er bis kurz vor seinem Tod mitgewirkt. Seine Ehefrau Christine Rink gab an, dass er bis zu seinem Tod im Atelier arbeitete, sofern seine Kräfte es zuließen. Denn seit Jahren litt er an den Folgen eines Krebsleidens, wovon er sich nur schwer erholen konnte. Das hat womöglich auch künstlerische Bestrebungen verzögert und verlangsamt.

Der Einflussnehmende

Ich lernte Arno Rink kennen als er Prorektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst war. Zu diesem Zeitpunkt lag sein Studium nahezu dreißig Jahre zurück. An der damaligen Hochschule für Grafik und Buchkunst absolvierte er sein Grundstudium bei Werner Tübke, Harry Blume und Hans Mayer-Foreyt, wechselte 1964 in die Fachklasse von Bernhard Heisig. Zeitlebens war er der HGB verbunden. Während er freischaffend in Leipzig arbeite, kehrte er der Kunstakademie nicht den Rücken zu. Er begann Anfang der Siebzigerjahre seine Lehrtätigkeit und war bis 2005 ohne Unterbrechung Leiter der Fachklasse für Malerei und Grafik an der HGB. Diese Zeitspanne prägt viele Künstlergenerationen. Von 1987 bis 1997 war er sowohl Rektor (bis 1994) als auch Prorektor der HGB. Auch das prägt.

Auch mich prägte er. Ich lernte ihn als direkten und ehrlichen Menschen kennen, der gerade aus auf den Kopf sagte, was er dachte. Das konnte auch schmerzhaft sein. Jahre später trafen wir uns im Rahmen eines Sommerfests an der HGB wieder. Er konnte sich an unsere Begegnung erinnern und freute sich, dass ich doch der Kunst verbunden geblieben bin. Nun ist der große Meister der Leipziger Schule in Ruhe sanft entschlafen. Seine Kunst wird mit uns weiterleben, so auch er.

Arno Rink. 26. September 1940 – 5. September 2017.

Weblinks:

Arno Rinks Seite bei der Galerie Schwind

Die Künstlerseite von Arno Rink bei der Kunsthalle Sparkasse

Literatur:

Arno Rink – Malerei und Zeichnung. Mit Textbeiträgen von Ulrich Prak, Neo Rauch und Michael Triegel.

„Malerei ist eine Lebensentscheidung“ – Markus Matthias Krüger

Markus Mathias Krüger in seinem Atelier auf dem Spinnereigelände in Leipzig (Bild: Artefakte – Archiv)

Daniel Thalheim

Sein Gemälde „Zwei Wäldchen“ sorgte bei der Meisterschülerausstellung 2013 der Hochschule für Grafik und Buchkunst für Hingucker. Dass Malerei aus Leipzig nicht unbedingt die Sprache der so genannten „Leipziger Schule“ sprechen muss, zeigen die Arbeiten von Markus Matthias Krüger.

„Die Reaktion der Leute zeichnet gute Kunst aus.“ Markus Matthias Krüger stand im Sommer 2010 beim Diplomfest auf dem Innenhof der Hochschule für Grafik und Buchkunst, um dort einer jungen Jazzkapelle zu zuhören. Seine Worte waren schon zu dieser Zeit allgemeingültig. Damals war er ebenso konzentriert wie heute. Aktuelle Trends und Moden interessierten ihn nicht. Der Künstler wollte seine Bilder sprechen lassen, ohne sich zu verbiegen. Trotz dass Krüger lange Zeit ein Student war, ist er nicht so oft in der Hochschule gewesen. Der gelernte Physiotherapeut und Industriedesigner hat in der Kunst sein Zuhause gefunden. Auch wenn so mancher Umweg beschritten werden musste.
„Praxis und Kreativität geht zumindest bei mir nicht einher. Mit technischen Spielereien zu arbeiten, wie Computern, liegt mit nicht“, sagte er 2010 als er vor seinen naturalistischen Szenen, die still an der Wand hängen, stand. Sie zeigten eine vom Sturm verwirbelte Pappelallee, einen ruhigen Hof. Menschenleer, aber von Menschen geschaffen. Für Krüger ist Kunst eine Art Befreiung. „Meine Entscheidung eines Tages Kunst zu studieren, musste zwangsläufig irgendwann kommen. Der Antrieb dazu war immer da. Wenn man erst einmal drin ist, sich von den Zwängen befreit hat, sich Arbeit zu suchen und Malerei als Hobby zu begreifen, dann ist der Kopf frei. Anders kann es nicht funktionieren“, erzählte der bei der Galerie Schwind unter Dach und Fach gekommene Malerkollege von Michael Triegel, Wolfgang Peuker und Arno Rink.
Doch ein anderer war Krügers großes Vorbild: Wolfgang Mattheuer. Heute liegen auf seinem Schreibtisch Bücher von niederländischen Landschaftsmalern und Romantikstar Veit Schnorr von Carolsfeld. Nebenan die Staffelei von Werner Tübke. Krügers Arbeiten wurden schon 2010 bei der Galerie Schwind betreut, jener Galerie, die auch den Nachlass des Begründers der „Leipziger Schule“ betreut.
„Kunst ist meine Lebensentscheidung“, so Krüger. „Während des Studiums und jetzt auch male ich von früh an bis zum späten Nachmittag. Ganz so, als würde ich auf Arbeit gehen.“ Der Familienvater passt nicht in das Bild des manischen Künstlers, ist eher ein disziplinierter Zeitgenosse. Ganz wie Neo Rauch, Werner Tübke und Hans Aichinger konzentriert sich Krüger auf seine Malerei, Naturskizzen und Zeichnungen. „Party machen und so zu tun, als sei ich ein Student, liegt mir nicht“, sagte er noch zur Diplomaustellung. Seine Einstellung hat sich bis heute nicht geändert.
Krügers Arbeiten erwecken den Anschein, als seien sie real. „Ich gehe zwar raus in die Natur und fertige meine Studien an, aber im Atelier kommt die Fantasie mit ins Spiel. Alles andere wäre ein komplizierteres Fotografieren.“ Eine klare Absage Krügers an den Fotorealismus.
„Ich filtere Informationen, die ich von meinen Reisen mitbringe und überhöhe sie“, so der Künstler weiter im Gespräch.  Er sei auf der Suche nach Formen, könne auch klassisch wie Michael Triegel arbeiten.
„Aber selbst bei ihm strahlen seine Arbeiten Modernität aus“, denkt der Maler laut nach. „So zu malen, wie vor 200 oder 500 Jahren ist unsinnig. … Meine Arbeiten sind der Kunstgeschichte verpflichtet.“ Wolfgang Mattheuer ist Krügers größter Einfluss.
„Landschaftsgemälde ist für mich ein verbrauchter Begriff“, erzählte Markus während der Meisterschüleraustellung, die 2013 in der Hochschule für Grafik und Buchkunst stattfand. Sein Bild „Zwei Wäldchen“ war einer der Höhepunkte der Schau. „An sich gibt es nicht wirklich die Landschaftsmalerei, die wirklich die reine Natur abbildet. Der Künstler bringt immer eine Inhaltsebene mit hinein.“ Seine Gemälde erinnerten drei Jahre nach der Diplomausstellung stark an die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Sie zeigten Spuren menschlichen Schaffens, aber nicht die Menschen selbst. Die Naturbilder spiegelten Seelenlandschaften wieder, in denen der Betrachter zu ganz eigenen Erkenntnissen kommen kann. „So ergeben sich mehr Freiheiten, die bei menschlichen Abbildern so nicht vorhanden sind“, erklärt der Maler. Mit Freiheit meinte er die Interpretation seiner Werke. Die auf einem gemähten Acker befindlichen, kreisrunden Wäldchen bergen etwas Wildes, das ringsherum in der vom Menschen domestizierten Landschaft fehlt. Für Markus Krüger nicht unbedingt Ausdruck seines Willens und seiner Träume, sondern eine Frage des Kontrastes. „Wenn ich male, gebe ich wenig von meinen persönlichen Bedürfnissen preis. Mir geht es um das Spiel mit Kontrasten. Sie rütteln einen auf, wie ein Feuer inmitten des Alltags. Ich versuche nicht, eine vorgefertigte Meinung abzubilden.“
Für „Zwei Wäldchen“ benötigte er mit Vorstudien und Skizzen ganze zwei Monate. Die nächsten Bilder sind aber schon in Arbeit. Für sein Leben braucht er einen besonders großen Hut. Kinder, Frau und Malerei müssen darunter Platz finden. Auch das sieht er entspannt, denn für seine Kunst lässt er sich Zeit. „Wenn sie Menschen erreicht, ist Malerei gut“, sagt er noch zum Abschied.

Zu seinen Ausstellungen „Hortus“ in Bad Frankenhausen und in Rostock erschien 2017 ein umfangreicher, mit kunstwissenschaftlich hochwertigen Beiträgen versehener, Ausstellungskatalog beim Hirmer Verlag.

Markus Matthias Krüger
Hortus
Hrsg. Karl Schwind
Hirmer Verlag München 2017Beiträge von F. Bußmann, M. Gisbourne, G. Lindner, A. Schüle

200 Seiten, 110 ganzseitige Abbildungen in Farbe
24 × 29 cm, gebunden

ISBN: 978-3-7774-2812-3